Irrungen, Wirrungen.

Dies mag scheinen, wie eine Kritik oder Beschreibung (spoiler alert!) des Romanes "Irrungen, Wirrungen" von Theodor Fontane und ziemlich genau das ist es auch. Neben den gesellschaftlichen Irrungen, Wirrungen aus der wilhelminischen Zeit soll es aber um die Irrungen und Wirrungen gehen, die mir kürzlich bei der Mietwagensuche in Los Angeles begegnet sind und vor allem die, die mir nicht begegnet sind.

In Fontanes Roman geht es um eine standesüberschreitende Liebesbeziehung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein junger Baron und eine Schneiderin - genauer eine Schneidermamsell - verlieben sich. Natürlich war zu diesem Zeitpunkt eine solche Liebe völlig undenkbar. Der Baron trennt sich schließlich von ihr und geht eine Vernunftheirat ein. Diese soll vor allem seine Familie aus ihrer finanziellen Notlage befreien. Schlussendlich leben beide in konventionellen Ehen und haben ihre große Liebe aufgegeben. Die Liebe konnte die Standesgrenzen nicht überschreiten. 

Vor einigen Tagen bin ich in Los Angeles gelandet - Urlaub und ein mathematischer Kongress warteten auf mich. Man hat mir wärmstens empfohlen, mir einen Mietwagen zu besorgen und mich nicht auf den öffentlichen Personennahverkehr zu verlassen. Nun habe ich einen Mietwagen bei Thrifty gebucht - einem großen Mietwagenverleih. Natürlich hatte ich mich Zuhause am Laptop für das billigste Auto entschieden. Und natürlich war ich schwer enttäuscht darüber, dass ich für das Geld nur einen südkoreanischen Reiskocher bekommen hatte und keinen Ford Mustang mit V8 Motor und 500 PS. Tatsächlich war es mir diesbezüglich nicht möglich, die Grenze der Fahrzeug-Preiskategorien der Autovermietung zu überschreiten. Da erging es mir ähnlich wie der Liebe zwischen Schneiderin und Baron.

Andere Grenzen wurden jedoch überschritten. Ich hatte das Auto also schon von Zuhause aus bei Thrifty gebucht und entschieden mich um die Modalitäten zu kümmern, wenn ich erstmal dort bin. Nun hatte ich gerade den Flughafen verlassen und bin den Schildern: "Rental Car Shuttles" gefolgt. Dort würden Shuttlebusse stehen, um Leute zu ihren Autoverleihern zu bringen. Es kamen quasi im Minutentakt Shuttlebusse von allen Autovermietern an, außer von Thrifty. Dies feststellend, hatte ich die Reservierungsbestätigungsmail in meinem Gmail-Postfach nochmal genau studiert. Bei Hotelreservierungen, Autovermietungsverträgen, AirBnB-Korrespondenz u.ä. hat Gmail die nützliche Funktion all die Informationen aus den E-Mails oben zusammenfassen. Bei mir stand dort nun: "Car rental with Hertz" und das ich das Auto bei Hertz in LA abholen soll. Siehe das Foto unten. Ich hatte mich zwar gewundert, hielt dies aber für erst einmal nicht unwahrscheinlich. Autovermietungen sind mir sowieso ein Rätsel.
Einen Teil der Informationen, den mein Gmail-Postfach aus meiner Thrifty-Reservierungsbestätigung herausgefiltert und deduziert hat. Unter dem roten Gekritzel befindet sich das Hertz-Logo.


Ich stieg also in einen Hertz-Shuttlebus zu einem äußerst freundlichen Busfahrer. Angekommen bei Hertz stellte ich mich selbstbewusst in die Schlange. Nach einer viertelstündigen Wartezeit erklärte eine junge Dame mir dann, dass sie mich in der Datenbank nicht finde und das ich es wohl wirklich bei Thrifty versuchen müsse. Ich sah mich schon einen Shuttlebus zurück zum Flughafen nehmen und dann einen Thrifty-Shuttle oder Taxi zu Thrifty. Aber die junge Dame hatte einen anderen Plan. Sie funkte ihren Kollegen an, der mich zu Thrifty chauffieren solle. Das sei sein Job, sagte sie. Es gehen wohl so viele Leute zwischen den Autovermietungen verloren, dass es sich lohnt, so jemanden zu haben. Für mich eindeutig ein Schritt über eine Grenze. Ich war offensichtlich kein Kunde von Hertz und hatte dennoch mehr Kundenservice genossen als die meisten Kunden.

Noch immer von der Gmail-Abholinformation, ich solle mein Auto bei Hertz abholen, verwirrt, fragte ich den Kunden-Herum-Fahrer von Hertz: "Kann es sein, dass ich bei Thrifty den Vertrag unterschreibe und dann trotzdem ein Hertz-Auto bekomme?" Er sagte mir, dass ich kein Hertz-Auto wolle. Thrifty sei erheblich preiswerter - ein deutlich besserer Deal. Das war keine Antwort auf meine Frage, kam für mich aber einer zweiten Grenzüberschreitung gleich. Ich erzählte dem Fahrer, wo ich überall hinfahren werde. Er gab mir ziemlich genaue Wegbeschreibungen. Ich glaube, er kennt den Großraum LA so, wie ich den Kleinraum Riegelsberg.

Warum hatte Gmail mich falsch informiert? Thrifty gehört zur Hertz Corp., eine Verbindung, die bei Hertz L.A. und Thrifty L.A. niemandem klar war. Tatsächlich stand aber im Impressum der Thrifty-Reservierungsbestätigungs-E-Mail, ein Hinweis auf die Hertz Corp. und die europäische Hertz-Zentrale in Uxbridge, UK. Gmail hat also scheinbar die E-Mail nach Autovermietungsinformationen durchsucht, Hertz gefunden und den Rest - so zum Beispiel die Adresse von Hertz L.A. - deduziert.

Ich durchlief also vor allem Irrungen und konnte diverse Grenzen nicht überschreiten. Andere konnten das - zum Glück.

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